Zusammenfassung
Obwohl bei der Hämotherapie in der Palliativmedizin auch eine „normale“,
teils Leitlinien-gerechte Indikationsstellung möglich ist, werden Therapieentscheidungen häufig unter ethischen Gesichtspunkten bewertet. Da es für
die Gabe von Blutprodukten keine durch große randomisierte Studien belegte Mindestgrenzwerte für die Indikation zur Transfusion gibt, gehen die
meisten Empfehlungen in den Leitlinien auf Expertenmeinungen zurück, die
auf jahrzehntelangen, wohlmeinenden Erfahrungen beruhen. Allein aufgrund
von Erfahrungsberichten von Ärzten, die vorwiegend Patienten behandeln,
die aus vorwiegend religiösen Gründen Bluttransfusionen ablehnen, lassen
sich Rückschlüsse auf absolut lebensnotwendige Grenzwerte ziehen. Trotzdem sind die Kriterien für einen absoluten Verzicht auf die Gabe von Blutprodukten als eine der möglichen Therapiebegrenzungen nach wie vor sehr vage;
ggf. auch ein Grund dafür, dass in der Palliativmedizin die Bluttransfusionen
mit der Hämodialyse und Antibiotikagabe oft zu den ersten Therapiemaßnahmen gehören, die abgesetzt werden. Bei der Indikationsstellung müssen
vor allem die palliativen Therapieziele definiert und berücksichtigt werden,
wie z. B. die effektive Linderung von Sterbesymptomen nach dem HospizGedanken: „Menschen helfen, gut zu leben, bis zuletzt“. Dazu gehören auch
die Grundgedanken bei der Indikationsstellung: Wohltun (Evidenz-basiert),
Selbstbestimmung (Patienten-Autonomie), Schaden vermeiden (ggf. transfusionsbedingte Verschlechterung bei der Mortalität) und Gerechtigkeit (Knappheit der Blutprodukte). Bei einer guten Strukturierung dieser Überlegungen
begrenzt man medizinische „futility“ ohne dem „therapeutischen Nihilismus“
zu erliegen (Oudenotherapie nach Bleuler).
Dafür sind Ethik-Komitees an den Kliniken mit ihren ausgebildeten Ethikberatern eine wertvolle Hilfe, die jedoch nicht nur auf Anfrage bei einzelnen Fallberatungen tätig werden, sondern auch im Rahmen von Ethikvisiten schwierige
Krankheitsverläufe interdisziplinär besprechen sollten. Der Sachverstand der
Transfusionsmediziner wäre hier sicherlich für eine gerechte Zuteilung der
Blutprodukte - letztendlich für alle Patienten - sehr hilfreich. Und das nicht nur
auf der Palliativstation, sondern auch für die vielfältigen Transfusionen auf der
kurativ konzipierten Intensivstation.
Despite the fact that even palliative medicine allows for a „normal“ indication
for blood transfusion in accordance with official guidelines, therapy decisions
are often made from an ethical viewpoint. Since the administration of blood
products can only refer to a few big randomised studies on the lowest limit for
a transfusion trigger, most of the recommendations in the actual guidelines
go back to expert opinions based on decade long well-meant observations.
The experience from medical doctors who treat patients who refuse a blood
transfusion on religious grounds, allows us to draw conclusions on the absolute vital limits.
The criteria for an absolute refusal of blood transfusion in a palliative situation
are still very vague. In fact, this may also be one reason why in palliative medicine blood transfusions, haemodialysis and the administration of antibiotics
are the first therapeutic measures that are stopped.
The palliative therapeutic goals in the spirit of the hospice guiding principle:
“Help people to live well to the end” have to be defined and considered before making a decision on the treatment. This includes wellbeing (evidence
based), self-determination (patient autonomy), prevention of harm (a blood
transfusion is not a means of pain therapy) and fair distribution (shortage in
blood products). If all these considerations are well structured, the medical
“futility” can be limited without submitting to “therapeutic nihilism” (OudenoTherapy acc. to Bleuler)
Qualified ethical counsellors in hospitals are valuable assets, however they
should not only advise on specific cases but also be included in interdisciplinary discussions in the scope of ethics visits in case of severe disease progression. The expertise of transfusion specialists would probably be helpful
for all patients with regard to a fair distribution of blood products, not only on
the palliative ward but also for the various transfusions that take place on the
curatively structured intensive care unit.