Bericht vom internationalen Expertentreffen der Weltgesundheitsorganisation zu „emerging infections“ und Blutsicherheit
Zusammenfassung
Mitte Juni 2017 trafen sich auf Einladung der Weltgesundheitsorganisation 28 Experten aus aller Welt für zwei Tage in Genf in der WHO-Zentrale, um einen Überblick über die Lage der (wieder) neu auftretenden Infektionskrankheiten (Englisch: (re-)emerging infectious diseases; kurz: EID) und deren Einfluss auf die weltweite Blutversorgung zu geben. Besonderer Wert wurde dabei auf diejenigen Voraussetzungen gelegt, die weltweit für die Risikoeinschätzung und das Risikomanagement beim Auftreten einer solchen globalen Bedrohung notwendig sind. Neben Berichten zu den einzelnen EID-Ausbrüchen der vergangenen Jahre sowie dem diagnostischen und therapeutischen Vorgehen auf den verschiedenen Kontinenten lag ein Schwerpunkt auf den aus den bisherigen EID-Ausbrüchen gemachten Erfahrungen und deren Nutzen für zukünftige Krisen. Es wurden mehrere unterschiedliche, Internet-basierte Unterstützungsprogramme vorgestellt, die im Vorfeld bzw. bei Auftreten eines EID-Ausbruchs nationale Entscheidungsträger bei der risikobasierten Entscheidungsfindung zum Schutz der Blutversorgung unterstützen können. Dazu diskutierten die versammelten Mikrobiologen, Virologen, Epidemiologen, Transfusionsmediziner, Biomathematiker und Statistiker mit Vertretern der nationalen und internationalen Aufsichtsbehörden.
The World Health Organisation (WHO) invited 28 technical experts from all over the world for a two-day global consultation at the WHO headquarters in Geneva from June 14 to June 15, 2017. The topic of this consultation was to give an assessment of the impact of newly or re-emerging infectious diseases (EID) on global blood supply. Influences and requirements for risk estimation and decision making support were the principal discussion topics here. After several reports of different EID outbreaks occurring within the recent years and discussion of the diagnostic and therapeutic approaches on all continents, the experts shared common experiences from these outbreaks and benefits for future occurrences. Several different computer and internetbased supportive programmes were presented assisting national responsible experts in their risk based decision making for blood safety. Microbiologists, virologists, epidemiologists, transfusion medicine specialists, biomathematicians and statisticians discussed these topics during the WHO global technical expert consultation with national and international regulators.
Indikationen zur Gabe von Blutprodukten in der Palliativmedizin (und in der Intensivmedizin)
Zusammenfassung
Obwohl bei der Hämotherapie in der Palliativmedizin auch eine „normale“, teils Leitlinien-gerechte Indikationsstellung möglich ist, werden Therapieentscheidungen häufig unter ethischen Gesichtspunkten bewertet. Da es für die Gabe von Blutprodukten keine durch große randomisierte Studien belegte Mindestgrenzwerte für die Indikation zur Transfusion gibt, gehen die meisten Empfehlungen in den Leitlinien auf Expertenmeinungen zurück, die auf jahrzehntelangen, wohlmeinenden Erfahrungen beruhen. Allein aufgrund von Erfahrungsberichten von Ärzten, die vorwiegend Patienten behandeln, die aus vorwiegend religiösen Gründen Bluttransfusionen ablehnen, lassen sich Rückschlüsse auf absolut lebensnotwendige Grenzwerte ziehen. Trotzdem sind die Kriterien für einen absoluten Verzicht auf die Gabe von Blutprodukten als eine der möglichen Therapiebegrenzungen nach wie vor sehr vage; ggf. auch ein Grund dafür, dass in der Palliativmedizin die Bluttransfusionen mit der Hämodialyse und Antibiotikagabe oft zu den ersten Therapiemaßnahmen gehören, die abgesetzt werden. Bei der Indikationsstellung müssen vor allem die palliativen Therapieziele definiert und berücksichtigt werden, wie z. B. die effektive Linderung von Sterbesymptomen nach dem HospizGedanken: „Menschen helfen, gut zu leben, bis zuletzt“. Dazu gehören auch die Grundgedanken bei der Indikationsstellung: Wohltun (Evidenz-basiert), Selbstbestimmung (Patienten-Autonomie), Schaden vermeiden (ggf. transfusionsbedingte Verschlechterung bei der Mortalität) und Gerechtigkeit (Knappheit der Blutprodukte). Bei einer guten Strukturierung dieser Überlegungen begrenzt man medizinische „futility“ ohne dem „therapeutischen Nihilismus“ zu erliegen (Oudenotherapie nach Bleuler). Dafür sind Ethik-Komitees an den Kliniken mit ihren ausgebildeten Ethikberatern eine wertvolle Hilfe, die jedoch nicht nur auf Anfrage bei einzelnen Fallberatungen tätig werden, sondern auch im Rahmen von Ethikvisiten schwierige Krankheitsverläufe interdisziplinär besprechen sollten. Der Sachverstand der Transfusionsmediziner wäre hier sicherlich für eine gerechte Zuteilung der Blutprodukte - letztendlich für alle Patienten - sehr hilfreich. Und das nicht nur auf der Palliativstation, sondern auch für die vielfältigen Transfusionen auf der kurativ konzipierten Intensivstation.
Despite the fact that even palliative medicine allows for a „normal“ indication for blood transfusion in accordance with official guidelines, therapy decisions are often made from an ethical viewpoint. Since the administration of blood products can only refer to a few big randomised studies on the lowest limit for a transfusion trigger, most of the recommendations in the actual guidelines go back to expert opinions based on decade long well-meant observations. The experience from medical doctors who treat patients who refuse a blood transfusion on religious grounds, allows us to draw conclusions on the absolute vital limits. The criteria for an absolute refusal of blood transfusion in a palliative situation are still very vague. In fact, this may also be one reason why in palliative medicine blood transfusions, haemodialysis and the administration of antibiotics are the first therapeutic measures that are stopped. The palliative therapeutic goals in the spirit of the hospice guiding principle: “Help people to live well to the end” have to be defined and considered before making a decision on the treatment. This includes wellbeing (evidence based), self-determination (patient autonomy), prevention of harm (a blood transfusion is not a means of pain therapy) and fair distribution (shortage in blood products). If all these considerations are well structured, the medical “futility” can be limited without submitting to “therapeutic nihilism” (OudenoTherapy acc. to Bleuler) Qualified ethical counsellors in hospitals are valuable assets, however they should not only advise on specific cases but also be included in interdisciplinary discussions in the scope of ethics visits in case of severe disease progression. The expertise of transfusion specialists would probably be helpful for all patients with regard to a fair distribution of blood products, not only on the palliative ward but also for the various transfusions that take place on the curatively structured intensive care unit.
Selbstinspektionsbogen
Inkompatibles Universal-Erythrozytenkonzentrat bei seltener Rhesus-Inkompatibilität zwischen Mutter und Kind
Zusammenfassung
Ein Neugeborenes wurde mit ausgeprägter Anämie stationär aufgenommen, nachdem es post partum bereits eine Transfusion mit „Baby-EK“ (0 Rh. neg., Rhesusformel ccddee) erhalten hatte. Die immunhämatologischen Untersuchungen zeigten Auffälligkeiten durch Mischfeldagglutinationen in der Blutgruppenbestimmung und ein positives Ergebnis im Antikörpersuchtest mit dem Nachweis der Alloantikörper Anti-c und Anti-E. Der direkte Coombstest hingegen war negativ. Nach Rücksprache mit der Klinik bestätigte sich der Verdacht eines Morbus haemolyticus neonatorum. Dieser war bereits anamnestisch aus Vorbefunden bekannt und wurde hervorgerufen durch die Immunisierung der Mutter gegen die kindlichen Rhesusmerkmale. Die resultierende Inkompatibilität mit einem klassischen Baby-EK wurde trotz Vorbefunden nicht beachtet, die erneute Gabe hätte die Hämolyse und die Anämie weiter verstärkt. Baby-EK dürfen deshalb nicht als universell verträglich angesehen werden, da sie in seltenen Fällen inkompatibel sein können.
A newborn with distinct anemia was hospitalised after transfusion (0 Rh negative, ccddee) in another hospital due to a post partum anemia. The relevant immuno-haematological analysis revealed abnormal agglutination in the blood grouping test and a positive result for indirect Coombs test on the newborn’s blood with subsequent specification of the alloantibodies anti-c and anti-E. However, direct Coombs test was negative. After consulting the clinic, the suspicion of a hemolytic disease of the newborn (HDN) was confirmed. It was already known due to previous findings and evoked via mother’s immunization against the infantile rhesus antigens. The resulting incompatibility with a classic baby blood bottle was not considered, and the recurrent transfusion would have intensified hemolysis and anemia. Blood bottles for newborns with rhesus constellation ccddee may therefore not be regarded as universal compatible, since there are uncommon constellations were they are rated highly incompatible.
Der Hämoglobinwert als Transfusionstrigger für Erythrozytenkonzentrate
Zusammenfassung
Für die transfusionsmedizinische Gemeinschaft bricht derzeit ein goldenes Zeitalter an, in dem sich Empfehlungen für Transfusionen mehr und mehr auf ein hohes Maß an Evidenz zurückführen lassen. Erstmalig gibt es für eine Vielzahl von Patientengruppen, von intensivmedizinisch behandelten Patienten über Patienten mit Gastrointestinalblutungen bis hin zu Patienten nach chirurgischen Eingriffen, gute Belege aus qualitativ hochwertigen randomisierten klinischen Studien (RKTs) für angemessene Grenzwerte bei der Transfusion von Erythrozytenkonzentraten. Auch wenn die Indikation für eine Transfusion nicht automatisch von einer Patientengruppe auf eine andere übertragbar ist, liefern die verfügbaren RKTs dennoch eine exzellente Grundlage für die Entscheidung, ob eine Transfusion notwendig ist oder nicht. Diese RKTs zeigen eindeutig, dass das Auftreten von Nebenwirkungen in transfundierten Patienten nichts mit der Anzahl an Erythrozytentransfusionen zu tun hat. Daher wird eine Transfusion von roten Zellen, insofern sie indiziert ist, eher einen positiven Effekt auf den Genesungsprozess haben, als dass sie für den Patienten schädlich ist.
The transfusion medicine community is experiencing a true golden age of high quality evidence on which to base our recommendations for transfusion thresholds. For the first time, we have evidence from well performed randomized controlled trials that elucidates the appropriate red blood cell transfusion thresholds in a variety of patient populations ranging from those in the intensive care unit, to patient with gastrointestinal bleeds, to those who are post-surgery. While care should be taken not to over generalize transfusion thresholds from one patient population to another, these RCTs provide an excellent starting point when deciding whether an RBC transfusion is necessary or not. These RCTs also indicate that the rates of adverse events after receiving an RBC transfusion really are independent of receiving a transfusion, that is, the rates of various adverse events following receipt of an RBC transfusion are not higher amongst those who received more transfusions compared to those who received fewer units. Thus if a transfusion is clinically indicated, it will likely be more beneficial than harmful.
Die Immuntherapie – der Leuchtturm in der Krebsbehandlung?
Zusammenfassung
Das Immunsystem ist in der Lage, Tumore zu erkennen und zu zerstören. Die Entdeckung und Entwicklung von Immun-Checkpoint-Inhibitoren wie z. B. PD-1 (programmed cell death protein 1) und CTLA-4 (cytotoxic T-lymphocyte antigen 4) haben in zahlreichen klinischen Studien das Behandlungsspektrum von Tumorerkrankungen erweitern und ihre Heilungsraten signifikant verbessern können, so z. B. beim Melanom, beim Lungenkarzinom, beim Nierenzellkarzinom und weiteren Tumorentitäten. CAR-T-Zellen, BiTE-Technologie und Impfstoffe haben sich zusätzlich zu erfolgreichen therapeutischen Akteuren im Kampf gegen hämatologische und solide Neoplasien entwickelt. Um das Ansprechen auf eine Immuntherapie besser zu verstehen, ist jedoch die Entwicklung von Biomarkern und erweiterten histopathologischen Klassifikationen dringend erforderlich. In diesem Artikel möchten wir eine Zusammenfassung der Entwicklung der Immuntherapie mit dem Fokus auf die Checkpoint-Blockade durch monoklonale Antikörper und Beispiele für die Entwicklung neuer Biomarker geben.
The Immune system can recognize and eliminate tumors. The discovery and development of immune checkpoint blocking antibodies such as those against PD-1 (programmed cell death protein 1) and CTLA-4 (cytotoxic T-lymphocyte antigen 4) have demonstrated significant promise in many clinical studies against tumors such as melanoma, lung cancer, renal cell carcinoma and many others tumor entities. In addition, CAR-T-cells, BiTE-Technology and vaccines become successful therapeutic agents for the fight against haematological and solid tumors. Biomarkers and extended pathological classifications are necessary to predict the response and clinical outcome due to these novel approaches. In this article, we review the development of immunotherapy in cancer medicine focusing on checkpoint blocking antibodies and biomarker development.
Autologe Serumaugentropfen
Zusammenfassung
Neben industriell hergestellten künstlichen Tränenersatzmitteln werden seit etwa Anfang der 90er Jahre des zurückliegenden Jahrhunderts Patienten mit schweren Hornhautdefekten oder chronisch trockenem Auge mit großem Erfolg mit autologen Serum-Augentropfen behandelt (ASA). Der Therapieeffekt ist auf die im Serum vorhandenen epitheliotrophen Substanzen wie epithelial growth factor (EGF), platelet-derived growth factor (PDGF), Fibronektin und andere zurückzuführen. Seit einigen Jahren können ASA GMP-gerecht unter Wahrung arzneimittelrechtlicher und pharmazeutischer Standards im geschlossenen System hergestellt werden. Da die Nichtunterlegenheit von ASA gegenüber industriell hergestellten Tränenersatzmitteln bisher nicht eindeutig belegt ist, sind die Kostenträger nur schwer zu einer Kostenübernahme zu bewegen. Zudem gibt es bisher kein standardisiertes Herstellungsverfahren mit Blick auf Verdünnung, Lagerdauer und -temperatur. Dies sowie der schwierige Nachweis objektivierbarer Therapieerfolge wie Rückgang von Schmerzen und Fremdkörpergefühl schränkt die Verfügbarkeit dieser Präparate weiterhin deutlich ein, obwohl sie gut verträglich sind und subjektiv spürbare Besserung der Symptomatik erwarten lassen.
Apart from industrially produced artificial tears, patients with severe corneal defects or chronic dry eye syndrome have been treated with great success with autologous serum eye-drops (ASE) since the early 1990s. The therapeutic effect is based on epitheliotrophic substances present in the serum such as epithelial growth factor (EGF), platelet-derived growth factor (PDGF), Fibronektin and others. For some years now, ASE can be produced in a closed system according to GMP-guidelines under adherence to drug law and pharmaceutical standards. Since the non-inferiority of ASE compared with industrially produced artificial tears could not be proved yet, health insurance providers are reluctant to bear the cost. Nevertheless, there is still no standardized production protocol with regard to dilution, storage length and storage temperature. Furthermore the lack of measurable therapeutic effects such as abating pain and reduced foreign body sensation significantly restricts the use of these preparations though they are well-tolerated and a subjective and perceptible improvement of the symptomology can be expected.