Erfassung und Meldung von Transfusionsreaktionen aus Sicht des Anwenders und des Blutspendedienstes – eine kritische Schnittstelle
Zusammenfassung
Die Gabe von Blutkomponenten, welche in Deutschland im Gegensatz zur Mehrheit der europäischen Länder als Arzneimittel eingestuft werden, ist selten mit dem Auftreten von Nebenwirkungen verbunden, die auch als unerwünschte Reaktion oder Transfusionsreaktion bezeichnet werden. Derartige Verdachtsfälle müssen stets entsprechend den gesetzlichen Vorgaben gemeldet werden. Die Unterrichtungspflichten der behandelnden ärztlichen Person und der Einrichtung der Krankenversorgung sind in § 16 TFG geregelt, während die Meldepflichten des Blutspendedienstes als Zulassungsinhaber in § 63i AMG festgelegt sind. Der Verdacht einer unerwünschten Reaktion beim Patienten erfordert die Unterrichtung des Blutspendedienstes seitens des Anwenders, sofern es sich um den Verdacht einer schwerwiegenden unerwünschten Reaktion handelt, muss dieser zusätzlich dem Paul-EhrlichInstitut als zuständige Bundesoberbehörde angezeigt werden. Besteht der begründete Verdacht einer Infektionsübertragung durch Blutkomponenten, ist ein Rückverfolgungsverfahren gemäß § 19 TFG einzuleiten. Von der unerwünschten Reaktion abzugrenzen ist der (schwerwiegende) unerwünschte Zwischenfall in der Herstellung und Anwendung von Blutkomponenten, beide werden unter dem Oberbegriff (schwerwiegendes) unerwünschtes Ereignis geführt. Schwerwiegende Ereignisse (Reaktionen und Zwischenfälle) sind, neben der Unterrichtung des pharmazeutischen Unternehmers, innerhalb von 15 Tagen der Bundesoberbehörde zu melden. Um die Einhaltung der gesetzlichen Meldepflichten insbesondere an der Nahtstelle zwischen behandelnder Einrichtung und Blutspendedienst zu gewährleisten, ist eine enge und klar strukturierte Kooperation und die Definition eindeutiger Zuständigkeiten auf beiden Seiten von eminenter Wichtigkeit.
In Germany, in contrast to the majority of other European countries, blood components are legally considered to be pharmaceutical drugs. The administration of blood components may induce adverse effects, also known as adverse reactions or transfusion reactions. All adverse reactions, even if just suspected, must be reported according to the legal requirements. The notification obligation of the treating physician and the health care facility is regulated in § 16 TFG, while the reporting obligation of the blood transfusion service as the pharmaceutical entrepreneur is defined in § 63i AMG. When an adverse reaction is suspected, the blood transfusion service must be notified, the additional notification of the Senior Federal Authority (Paul Ehrlich institute) is necessary in case of a suspected serious adverse reaction. In accordance with § 19 TFG, a look-back procedure must be initiated to investigate the suspicion of a transfusion transmitted infection. (Serious) adverse reactions are to be distinguished from (serious) adverse events in the manufacturing and administration of blood components. Both, serious adverse events and reactions must be reported to the Paul Ehrlich Institute within 15 days, in addition to informing the pharmaceutical entrepreneur. In order to ensure the fulfillment of the legal reporting obligation, especially at the interface between the health care facility and the blood transfusion service, a close and clearly structured cooperation and the definition of clear responsibilities on both sides are of eminent importance.
Gesamtnovelle 2023 der Richtlinie Hämotherapie
Zusammenfassung
Im September 2023 erschien eine weitere Gesamtnovelle der Richtlinie Hämotherapie. Bemerkenswert ist das Spektrum der Änderungsgründe. Die Gesamtnovelle 2023 integriert eine Fortschreibung entsprechend der Entwicklung des Standes von Wissenschaft und Technik, berücksichtigt Stufenplanverfahren des Paul-Ehrlich-Institutes und passt die Richtlinie – unter Berücksichtigung der wissenschaftlichen Evidenz – auch an die neue Rechtslage an, welche sich durch die Änderung der §§ 4, 5, 7, 12 und 12a des Transfusionsgesetzes zum 16.05.2023 ergab. Die Änderungen in der Gesamtnovelle sind daher vielfältig und auch für die täglichen Abläufe in der Transfusionsmedizin sowie in der Anwendung von Blutpräparaten sehr relevant. In diesem Beitrag werden wesentliche Änderungen der Richtlinie Hämotherapie und deren Grundlage, insbesondere auch im Hinblick auf die neue Rechtslage, zusammengefasst und kommentiert.
In September 2023, a further overall amendment to the Haemotherapy Directive was published. The range of reasons for the amendments is noteworthy. The 2023 complete amendment integrates an update in line with the development of the state of the art in science and technology, takes into account the Paul Ehrlich Institute's step-by-step plan procedures and also adapts the guideline to the new legal situation resulting from the amendment of Sections 4, 5, 7, 12 and 12a of the Transfusion Act on May 16, 2023, taking into account the scientific evidence. The changes in the overall amendment are therefore manifold and also very relevant for daily processes in transfusion medicine and in the use of blood products. This article summarizes and comments on the main changes to the Haemotherapy Directive and their basis, particularly with regard to the new legal situation.
Wegfall der obligatorischen Quarantänelagerung von gefrorenem Frischplasma, lyophilisiertem Plasma und kryokonservierten Erythrozytenkonzentraten
Zusammenfassung
Am 17. Februar 2021 eröffnete das Paul-Ehrlich-Institut ein Stufenplanverfahren, um den Nutzen der Quarantänelagerung für langzeit-konservierbare Blutkomponenten zu überprüfen. Das Stufenplanverfahren endete am 05. März 2023 mit einem am 26. Juli 2023 im Bundesanzeiger veröffentlichten Bescheid1, der die Nutzung von langzeit-konservierbaren Blutkomponenten unter bestimmten Auflagen auch ohne Quarantänelagerung ermöglicht („Anordnung zur Etablierung eines neuen Sicherheitsstandards von Blutkomponenten durch die Festlegung aktualisierter Nachweisgrenzen für den Fall, dass die bisher vorgeschriebene Quarantänelagerung von gefrorenem Frischplasma, lyophilisiertem Plasma und kryokonserviertem Erythrozytenkonzentrat entfallen soll“). In dieser Übersicht werden die Gründe für die Einführung der Quarantänelagerung und die Argumente für die Abschaffung der obligatorischen Quarantänelagerung langzeit-konservierbarer Blutkomponenten dargestellt. Zugleich wird auf erwartbare Konsequenzen des Bescheids in der Praxis eingegangen.
On February 17, 2021, the Paul-Ehrlich-Institut opened a step-by-step plan procedure to review the benefits of quarantine storage for long-term preservable blood components. The phased plan procedure ended on 5 March 2023 with a decision1 published in the Federal Gazette on 26 July 2023, which allows the use of long-term preservable blood components without quarantine storage under certain conditions ("Order to establish a new safety standard for blood components by setting updated detection limits in the event that the previously prescribed quarantine storage of frozen fresh plasma, lyophilized plasma and cryopreserved erythrocyte concentrate is to be omitted"). This overview presents the reasons for the introduction of quarantine storage and the arguments for the abolition of mandatory quarantine storage of long-term preservable blood components. At the same time, the expected consequences of the decision in practice are discussed.
CAR-T-Zelltherapie bei diffusem großzelligen B-Zell-Lymphom: eine bahnbrechende Behandlungsoption
Zusammenfassung
Diffus großzellige B-Zelllymphome sind die häufigsten Non-Hodgkin-Lymphome in Europa und den USA. Für einen Großteil der Patienten gibt es mit der etablierten Chemo-Immuntherapie eine sehr wirksame Therapieoption. Die Situation ändert sich jedoch dramatisch im Rezidiv oder bei refraktärer Erkrankung (r/r DLBCL), wo konventionelle Chemo-Immuntherapie nur für einen Bruchteil der Patienten eine Kuration ermöglicht. Vor diesem Hintergrund wurde die Therapie mit mittels Anti-CD19-chimärem Antigen-Rezeptor modifizierten T-Zellen (CAR-T-Zellen) entwickelt und bei r/r DLBCL erprobt. Die bislang miserablen Ansprechraten bei r/r DLBCL konnten eindrücklich verbessert werden. Hier, fassen wir die aktuellsten Entwicklungen der CART-Zell-Therapierevolution beim DLBCL zusammen und veranschaulichen wie sich Sicherheits- und Wirksamkeitsprofil der CAR-T-Zelltherapie in den letzten Jahren verbessert haben.
Diffuse large B-cell lymphomas are the most common non-Hodgkin lymphomas in Europe and the USA. For the majority of patients, established chemoimmunotherapy is a very effective treatment option. However, the situation changes dramatically in relapsed or refractory disease (r/r DLBCL), where conventional chemo-immunotherapy can only cure a fraction of patients. Against this background therapy with anti-CD19 chimeric antigen receptormodified T cells (CAR-T cells) was developed and trialled in r/r DLBCL. The previously miserable response rates in r/r DLBCL have been impressively improved. Here, we summarise the latest developments in CAR-T cell therapy evolution in DLBCL and illustrate how the safety and efficacy profile of CAR-T cell therapy have evolved in recent years.
Extrakorporale Photopherese – Prinzipien und klinische Anwendungen
Zusammenfassung
Die Extrakorporale Photopherese (ECP) hat in den letzten Jahrzehnten einen festen Platz in der Behandlung von T-Zell-assoziierten Erkrankungen eingenommen. Das Konzept der ECP basiert auf der intravenösen Gabe von autologen, mittels Apherese gesammelten, Leukozyten, die ex vivo mit einer Kombination von 8-Methoxypsoralen und UV-A-Bestrahlung behandelt wurden. Diese Therapie hat sich als klinisch wirksam und sicher erwiesen, allerdings besteht noch Forschungsbedarf bezüglich genauer Wirkmechanismen, aussagekräftiger Qualitätskontrollparameter und Biomarkern, die Therapieansprechen zuverlässig vorhersagen und überwachen.
In the past decades extracorporeal photopheresis (ECP) has been implemented in treatment strategies of T-cell-associated diseases. The concept involves the reinfusion of autologous leukocytes being collected with apheresis and treated ex vivo with the combination of 8-Methoxypsoralen and UV-A irradiation. ECP therapy has been proven clinically efficacious and safe. Yet, there is still need for research to elucidate all relevant mechanisms of action, to define meaningful quality control parameters and to identify reliable biomarkers that predict and monitor therapy response.