Zusammenfassung
Die Entscheidungsfindung über die Dauer einer Antikoagulation nach einer
ersten, spontanen venösen Thromboembolie (VTE) ist eine der schwierigsten Aufgaben in der Praxis. Grundsätzlich muss das VTE-Rezidivrisiko gegen
das Blutungsrisiko des Patienten abgewogen werden. Dies sollte idealerweise
ca. 3–6 Monate nach der VTE erfolgen. Während früher eher kategorisierte
Empfehlungen gegeben wurden, steht heute ein patientenfokussiertes, individuelles Vorgehen im Mittelpunkt, das auch der Patientenpräferenz einen
großen Stellenwert einräumt. Grundlage für die Entscheidungsfindung ist
eine gründliche Anamnese, bei der neben Prädiktoren für ein erhöhtes Blutungs- oder Thromboserisiko detailliert auch nach früheren Auslösern, die
im Zeitraum von 4–8 Wochen vor der VTE bestanden haben, oder weiteren
präsenten VTE-Triggern gefragt werden sollte. Zudem sind weitere Parameter
wie beispielsweise D-Dimer-Konzentration nach Ende der Antikoagulation,
hereditäre oder erworbene Thrombophilien, Größe und Präsenz eines Residualthrombus bzw. die initiale Thrombuslokalisation und -ausbreitung zu
beurteilen. Obwohl die aktuellen Deutschen Leitlinien grundsätzlich keinen
Unterschied zwischen einer isolierten Beinvenenthrombose und einer Lungenembolie machen, kann gerade die klinische Schwere des Krankheitsbildes
hinsichtlich der Entscheidung für oder gegen eine weitere Antikoagulation
eine nicht zu vernachlässigende Rolle spielen. Die Verfügbarkeit der neuen,
direkten oder nicht-Vitamin K-abhängigen Antikoagulanzien mit einem gegenüber den Vitamin K-Antagonisten besseren Risikoprofil durch ein insgesamt
geringeres Blutungsrisiko hat aktuell ebenfalls eine zunehmende Bedeutung
in der Entscheidungsfindung. Vor diesem Hintergrund ist das Spektrum der
Antikoagulationstherapie nach VTE deutlich vielschichtiger geworden und
verlangt vom beratenden Arzt, neben Zeit für eine ausführliche Beratungsleistung, ein umfangreiches und aktuelles Wissen. Die Neubewertung einer
Therapieempfehlung in regelmäßigen Abständen ist zudem empfehlenswert,
da sich neben neuen medizinischen Erkenntnissen auch der Gesundheitszustand des Patienten und somit das individuelle Thrombose- oder Blutungsrisiko verändern kann.
The decision-making of the duration of anticoagulation therapy after the first
and unprovoked venous thromboembolism (VTE) is one of the most difficult
tasks in daily practice. Basically, the recurrence risk of the VTE has to be
balanced against patient´s bleeding risk. This should be done approximately
three to six months after the VTE. Whereas former recommendations had
been more categorized, an individual approach focused on the patient and his
preference is nowadays preferred. The decision should be mainly based on a
profound history taking which should concentrate on predictors of patient´s
bleeding and thrombotic risks as well as on possible triggers that had been
present within four to eight weeks prior to clinical manifestation of VTE or that
might be still present. Furthermore, parameters such as concentration of ddimers after termination of anticoagulation, hereditary or acquired thrombophilia, size and presence of a residual thrombus or localization and expansion
of the initial thrombus have to be evaluated. Although the current German
guidelines do not differentiate between an isolated deep vein thrombosis and
pulmonary embolism, the clinical impact of the disease may play a major
role in the decision pro or contra an unlimited anticoagulation. Additionally,
the availability of the new, direct or non-vitamin K-dependent anticoagulants
with an improved risk profile due to an overall decreased bleeding risk has an
increasing relevance in this decision making process. Therefore, there are
nowadays more options for anticoagulation therapy after VTE. Beside an adequate amount of time for giving a detailed advice to the patient, the consulted
physician needs a substantial and updated knowledge in this field. Reevaluation of the recommended therapy should be performed regularly due to new
findings in medical science and changes in the health status of the patient
with possible impact on his thrombotic and bleeding risk.